Das utopische Spiel mit Visionen und Wünschen

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Ich brauch gerade ganz viel Zeit für mich. Mein Kopf ist zurzeit so voll und gleichzeitig scheint rein gar nichts da zu sein – einfach eine gähnende Leere.

Ich könnte es auch als eine unendliche Weite beschreiben. Da ist diese Klarheit über mein DaSein, meine Existenz, meine Freiheit und so widersprüchlich dies auch klingen mag, herrscht das totale Chaos in mir.

Vor paar Tagen hatte ein Teil in mir die glorreiche Idee, es wäre nun an der Zeit, etwas Struktur in das Chaos zu bringen. Und eigentlich müsste ich sie doch inzwischen erkennen, diese Stimme, welche mich über Jahrzehnte zu Dingen angetrieben hat, welche nicht meinem wahren Wesenskern entsprechen. Noch heute lasse ich mich immer wieder mal verführen und falle in dieses alte perfide Macher- und Leistungsprogramm zurück. Es geht dabei nicht ums Tun und Umsetzen der Freude wegen, sondern darum, etwas erreichen zu wollen. So behauptete diese Stimme, es sein nun an der Zeit, aktiv zu werden, ich müsste doch nun dieses neue Gefühl von Freisein nutzen und etwas daraus machen. Das führte zum Chaos pur. Jaaa, inzwischen kann ich bereits laut darüber lachen. In der Tat habe ich mich wiedermal in meinem Gedankenkarussell verloren und mich plötzlich ganz insgeheim beim Schmieden von Plänen und Projekten ertappt, obwohl in mir so vieles dagegen sprach. Beispielsweise meine unglaubliche Müdigkeit und Lustlosigkeit, waren ganz klare Zeichen dafür, dass es vielmehr ums in mich fühlen und horchen geht, als ums Projekte anreissen.

Obwohl sie mir inzwischen doch so nah und vertraut ist, meine Herzensstimme, gibt es diese Momente, wo sie sich unglaublich bedeutungslos und auf weiter Strecke ganz alleine fühlt und dann fast zu verstummen droht. Die letzten 3.5 Monate habe ich mich auf meiner Afrikareise tagtäglich in Hingabe und dem Lauschen meiner Herzensimpulse geübt und war inzwischen ganz gut darin. Und einmal mehr, hab ich mich in meiner eigenen Unruhe, meinem inneren Chaos einfach wiedermal vollkommen verloren.

Da ist dieses Spiel mit Visionen und Wünschen nicht weit.

Überall sind Visionen, Herzenswünsche, Manifestationen in aller Munde und versprechen dir, dein Potenzial zur Entfaltung zu bringen. Immer wieder (und dies bereits seit längerem), wenn ich im Facebook oder sonst wo, etwas über Visionen las, verspürte ich einen Widerstand in mir aufkommen, etwas schrie innerlich in mir auf: „Nein, das ist nicht deins! Bleibt bleib bei dir, bleib im Hier und Jetzt! Es gibt nichts zu tun. Lass einfach los. Lass komplett los. Gib dich dem, was ist, bedingungslos hin und vertraue! Es gibt absolut nichts weiteres zu tun. Vertraue, das Leben meint es gut mit dir.“

Das ist meine innere Stimme bzw. Herzensstimme, wie ich sie für mich auch nenne oder vielmehr ein Gefühl. Diese Stimme ist mir so unglaublich nah und so vertraut, so dass es tief in mir einen Schmerz auslöst, wenn ich sie in Frage zu stelle. Immer und immer wieder habe ich sie ignoriert… aus Angst, nicht verstanden zu werden. Heute schreibe ich diese Zeilen nieder, ganz mir zu liebe und schiebe diese Stimme nicht von mir weg, sondern gebe ihr Raum und Platz und lausche ihr.

Wünsche sind nichts anderes als Hoffnungen, unbewusste Erwartungen und der Ausdruck davon, dass das, was gerade ist, nicht gut genug ist. Wünsche bringen mich nicht zu mir selbst zurück, sondern kreieren eine Wunschvorstellung meiner selbst. Sie entspringen dem Mangel, dass ich mich im Moment nicht gut genug fühle bzw. etwas mehr sein sollte, als ich bin. Ich entfliehe dadurch dem Moment, ab in eine surreale Traumwelt oder irgendwo in die Zukunft und trenne mich von mir selbst.

Plötzlich, ohne mir darüber bewusst zu sein, habe ich mich in meiner Wunschwelt wiedergefunden. Fernab vom Hier und Jetzt, irgendwo in der Zukunft.

Was ist es wirklich, das mich aus dem gegenwärtigen Moment ins Wünschen und Visionieren treibt? Ich habe ganz bewusst aufgehört zu wünschen und mir Zeit genommen, hinein zu fühlen. Zu fühlen, was da ist.

Um welchen Schmerz geht es wirklich? Welchem Schmerz will ich entfliehen, was tut so unglaublich weh? Und da war es wieder dieses unbeschreibliche Minderwertigkeitsgefühl, welchem ich fast mein ganzes Leben lang ausgeliefert war. Dieses Gefühl, keine Daseinsberechtigung zu haben. Es nicht wert zu sein, hier auf der Welt zu existieren. Ich hatte nie das Gefühl, ich sei gut genug, so wie ich bin. Als ich vor paar Monaten diesen Schmerz aus meiner Kindheit, des Nichtgesehenwerdens als das, was ich bin, das erste Mal für mich so ganz bewusst gefühlt hatte. Schien es mich innerlich zu zerreissen. Ich spürte ich eine unglaubliche Trauer, welche sich später in Wut und gar Hass verwandelte. Ich schien mich selbst nicht mehr wieder zu erkennen.

Heute fühle ich seit langem einfach Frieden. Frieden mit mir, Frieden mit meinen Eltern. Ich erkenne: Ich bin nicht mehr das kleine hilflose Mädchen, das von Mama und Papa abhängig ist und sich nichts sehnlichster wünscht, einfach gesehen zu werden. Ich bin inzwischen erwachsen geworden, habe mich selbst lieben und schätzen gelernt, als genau das, was ich bin. Dafür bin ich unglaublich dankbar. Heute darf ich diese Rolle des kleinen hilflosen Mädchen ganz bewusst ablegen und hinter mir lassen. Wie ein Schmetterling, der nun nach langer Zeit der Verwandlung seinen Kokon verlässt und somit alles alte hinter sich lässt und das erste Mal seine Flügel ausbreitet und davon fliegt.

Was für eine Erleichterung. Was für einen Frieden. Danke Leben für diese Erkenntnis.

Was bleibt, bin ich, in dem Moment, in unendlicher Raum.

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